Ein persönlicher Text über den Mut zur Veränderung
Ich war schon immer ein Mensch, der Langeweile nicht ertragen kann. Und so ließ ich sie in meinem Leben auch nie aufkommen. Der öffentlichen Meinung entsprechend, würde diese Einstellung gegen eine Berufslaufbahn als Beamter in einem Ministerium sprechen. Allerdings hatte ich das Glück, stets mit Aufgaben betraut zu sein, die sehr abwechslungsreich waren.
Über 22 Jahre war ich im Bereich der Waldpolitik und Waldinformation tätig und habe dort die unterschiedlichsten Erfahrungen gemacht. Ich nahm an großen Meetings der Vereinten Nationen in New York und Genf sowie der Europäischen Union in Brüssel teil. Immer wieder hatten wir Delegationen aus dem Ausland zu Gast, die es fachlich zu betreuen galt. Ich hielt unzählige Präsentationen und verfasste ebenso viele Texte, sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache. Also von Langeweile keine Spur.
Neben meinen Kernaufgaben in der Abteilung habe ich im Ministerium immer auch Nebentätigkeiten ausgeübt, wie etwa als interner EMAS-Auditor, als Kursleiter im Rahmen des Programmes “Lust auf Lernen”, als Moderator von Veranstaltungen oder zuletzt als Compliance-Beauftragter des Ressorts. Daneben habe ich seit dem Jahr 2007 Lehrverpflichtungen an der Universität für Bodenkultur. Im Grunde könnte man also meinen, dass ich in beruflichen Belangen stets mehr als ausgelastet war. Dennoch regte sich in mir immer häufiger der Wunsch nach “Mehr” und nach Veränderung. Ich war zu diesem Zeitpunkt Mitte Vierzig und ich machte mir ernsthafte Gedanken, wie ich die nächsten (und letzten) 20 Jahre meines Berufslebens verbringen möchte. Da ich im Rahmen meiner Tätigkeit immer auch mit Gesetzen und Verordnungen zu tun hatte und mich das Thema Recht auch privat interessierte (Stichwort Datenschutz, Grund- und Menschenrechte), entschloss ich mich im Jahr 2014 mit dem Studium der Rechtswissenschaften zu beginnen.
Die folgenden sieben Jahre waren hart, denn ich studierte neben meinem Vollzeitjob. Ich behielt auch all meine Nebentätigkeiten und meine Lehrverpflichtung an der Universität für Bodenkultur bei. Rückblickend frage ich mich, wie ich alles geschafft habe. Dass ich schließlich im Juni 2022 abschließen konnte, ist (auch) meiner Familie zu verdanken, die in all den Jahren viel Last von mir genommen und auf Vieles verzichtet hat.
Kurz nach Abschluss meines Studiums kamen die ersten “Angebote”. Mehrere Abteilungen im Ministerium fragten bei mir an, ob ich nicht dorthin wechseln wolle. Nun war klar, dass ich (noch) kein Top-Jurist war, allerdings war ich als Beamter und Forstwirt schon 22 Jahre im Ressort tätig und verfügte über entsprechende Erfahrung. Es tat ungemein gut, dass mir plötzlich Wertschätzung entgegengebracht wurde. Über die Jahre hinweg musste ich allzu oft feststellen, dass es in der Verwaltung an Anerkennung fehlt. Daher genoss ich es nun, als Person mit meinem Fachwissen interessant zu sein. Im Oktober – ich stand kurz vor dem Wechsel in eine Abteilung in einer anderen Sektion – wurde ich von meiner jetzigen Abteilungsleiterin angerufen und gefragt, ob ich nicht in ihre Abteilung wechseln möchte. Diese Möglichkeit, die sich kurzfristig ergeben hatte, eröffnete die perfekte Perspektive auf meine berufliche Zukunft. Als Forstwirt und Jurist passte ich fachlich genau in diese Abteilung und ich sagte auf der Stelle zu.
Bis die Formalitäten erledigt waren, sollte es noch eine Weile dauern und ich war während dieser Phase mit den unterschiedlichsten Reaktionen von Kollegen und Kolleginnen konfrontiert. Während mir die einen zu meiner Entscheidung gratulierten, war diese für andere nicht nachvollziehbar. Einen Kommentar werde ich nie vergessen und falls ich einmal meine Memoiren verfassen sollte, wird dieser dort Eingang finden. Ein nahezu fassungsloser Kollege konnte meinen Wechsel nicht verstehen und fragte mich, “ob ich denn verrückt sei und wieso ich mir das antäte, wo ich doch meinen alten Job im kleinen Finger hätte, und bis zur Pension eine ruhige Kugel schieben könnte”. Diese Aussage machte wiederum mich fassungslos.
Nun ist mir schon klar, dass manche Menschen (wie ich) die Veränderung lieben und brauchen und anderen diese ein Gräuel ist. Es ist damit eine Einstellungs- oder Charaktersache, wie man Veränderung und Neuem gegenübersteht. Aber auch wer Sicherheit und Beständigkeit benötigt, und wem Routine und Altbekanntes am liebsten ist, kann Veränderungen im Leben nicht vollständig aus dem Weg gehen. Schon rein körperlich verändert sich der Mensch als Lebewesen im Laufe des Lebens ständig. Daraus könnte man ableiten, dass wir diesem Dauerzustand mit seiner Natürlichkeit doch entspannt gegenüberstehen sollten.
Zurück zu meinem Wechsel in die neue Abteilung. Zunächst muss ich festhalten, dass ich in meiner alten Position nie unzufrieden war. Ich hatte fachlichen Expertenstatus und fühlte mich in der Abteilung wohl. Dennoch hätte ich mir nie vorstellen können, wieviel Positives und wieviel “Mehr” mir der Wechsel in die neue Abteilung gegeben hat:
- Ich lerne jeden Tag Neues und bin dadurch wieder motiviert wie an meinem ersten Tag im Ministerium im Jahr 2000.
- Ich wurde herzlich in einem großartigen Team aufgenommen.
- Ich habe eine Vorgesetzte, die das lebt, was ich als Mitarbeiter für wichtig halte. Sie fordert viel, gibt aber auch viel zurück. Vor allem aber steht sie vor und zu ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
- Ich habe ein wunderbares neues Büro, in dem ich mich wie zuhause fühle.
- Und das Wichtigste: ich gehe wieder richtig gern zur Arbeit.
Bevor ich zu überschwänglich werde, schließe ich mit einem letzten Gedanken: Veränderung kann für viele Menschen mit Unbehagen verbunden sein. Wer allerdings den Mut aufbringt, sich auf Neues einzulassen, wird mit Sicherheit belohnt. Sei es allein durch die gewonnenen Erfahrungen.
P.S.: Ich habe im November 2022 eine weitere Ausbildung begonnen: ich werde Konfliktmanager und Mediator.
“Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung” (Heraklit von Ephesos)
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